Konflikte treten in unterschiedlichsten Intensitätsstufen auf. Von kleineren Differenzen bis hin zur tiefen Kluft zwischen den Streitparteien. Wissenschaftlich unterteilt werden diese Abstufungen in sogenannte Eskalationsstufen.

Wer schon einmal selbst Teil eines Konflikts war (und das war jeder), kennt das: Der andere macht etwas, das uns ärgert. Infolgedessen fallen uns vielleicht immer mehr Dinge auf, die uns am anderen stören. Langsam sehen wir den anderen nicht mehr als den Menschen, der er ist, beziehungsweise interessieren uns auch gar nicht mehr dafür. Wir definieren den anderen immer mehr darüber, was er tut, das uns ärgert. Und lassen uns in diesem Ärger auch durch andere bestätigen – etwa Freunde oder Familie. In unserem Handeln nehmen wir irgendwann keine Rücksicht mehr auf den anderen oder tun sogar extra Dinge, um ihm zu schaden. Konflikte können schließlich bis zur Aussprache oder gar Umsetzung von Drohungen gehen, oder sogar soweit, dass ich eigene Verluste in Kauf nehme, nur um meinem „Feind“ zu schaden.
Der Konfliktforscher Friedrich Glasl hat eine Möglichkeit geschaffen, Konflikte klar in unterschiedliche Stufen – sogenannte Eskalationsstufen – zu unterteilen. Im Folgenden werden die ersten drei Stufen kurz erläutert und anhand eines Beispiels verdeutlicht:
Stufe 1: Verhärtung
Hier geht es um sachliche Differenzen, die aber sehr vehement vertreten werden und auch auf die Stimmung drücken. Niemand möchte von seinem Standpunkt abrücken und die Konfliktparteien haben den Eindruck, die andere Person ist gar nicht offen für bzw. ehrlich interessiert an ihren Argumenten.
Stufe 2: Debatte
Die Konfliktparteien möchten keinen Millimeter von ihrem Standpunkt abrücken und werden in ihrer Argumentation sehr polemisch, also unsachlich und angriffig.
Stufe 3: Taten statt Worte
Nachdem die Konfliktparteien den Eindruck haben, reden bringt sie nicht weiter, setzen sie erste Taten. Argumentiert wird nun vorrangig, um das eigene Handeln vor dem anderen zu rechtfertigen, nicht mehr, um den anderen zu überzeugen.
Jeder kennt diese Konfliktstufen und hat sie wohl schon mehrfach durchlebt. Ein einfaches Beispiel:
Ein Ehepaar ist unterschiedlicher Meinung darüber, wohin der nächste Sommerurlaub gehen soll. In der ersten Stufe werden Argumente ausgetauscht und es wird vehement versucht, den Partner vom eigenen Vorschlag zu überzeugen. Die Stimmung gegenüber dem bevorstehenden Urlaub ist bereits negativ behaftet. In der zweiten Phase wird die Diskussion ausgeweitet: Vom eigentlichen Sachthema verliert sich das Paar in immer weitreichendere Diskussionen – er wirft ihr etwa vor, dass sie mit dem Geld um sich schmeißt und sie wirft ihm vor, dass er nicht auf Ihre Bedürfnisse nach einem ruhigen und entspannten Urlaub achtet. In der Eskalationsstufe drei ist es schließlich so weit, dass einer der Partner einen Urlaub nach seinen Vorstellungen bucht, ohne dies weiter mit dem Partner abzusprechen. Dieser Urlaub kann für beide gedacht sein („er/sie wird schon noch sehen, wie gut meine Wahl war“) oder aber auch als Einzelurlaub.
Konflikte in diesen drei Stufen können noch in einem sogenannten Win-Win-Verhältnis aufgelöst werden, es sind noch keine tiefen Kränkungen entstanden. Es können also alle Parteien noch als Gewinner aus dem Konflikt hervorgehen. Dies erfordert jedoch viel Selbstreflexion und auch den starken Willen, den Konflikt nachhaltig beizulegen. Erst in den weiteren Stufen, in denen der Konflikt weiter eskaliert, können die Parteien nur mehr schwer ohne externe Hilfe aus dem Konflikt heraus- und in eine Lösungswelt hineinfinden. Mehr zu den weiteren Konfliktstufen gibt es in Teil 2 von „Konflikte: Wie sie entstehen“ zu lesen.
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