Du bist klug. Er ist gemein. Sie ist dramatisch. Du ein Klugscheißer, er ein Arschloch, sie eine Dramaqueen…
….Sprache schafft Wirklichkeit. Werden wir in eine Schublade gesteckt – oder stecken uns selbst in eine – kann es sein, dass wir die damit verbundenen Eigenschaften so stark in unser Selbst- oder Rollenbild integrieren, dass wir gar nicht in Erwägung ziehen, uns außerhalb dieses Rahmens verhalten zu können. Denn – wir sind nun mal, wer wir sind….oder?
Dabei macht Sein aus konstruktivistischer Sicht wenig Sinn. Viel mehr Sinn macht es, in Verhalten zu denken: Mal machen wir viele Scherze, das nächste Mal nicht. Mal schnauzen wir unseren Kollegen an, das nächste Mal verhalten wir uns freundlich. Mal reagieren wir emotional auf eine Nachricht, ein anderes Mal ganz nüchtern.
Warum das nicht nur verbale Haarspalterei ist? Weil wir diesen sein-Zuschreibungen glauben. Und je mehr wir daran glauben, desto schwieriger wird es, ein Verhalten an den Tag zu legen, das ihnen nicht entspricht.
Sowohl in positiver als auch negativer Hinsicht. Werden uns konstant positive sein-Eigenschaften zugeschrieben, erleben wir Druck, diesen auch entsprechen zu müssen. Bei negativen Zuschreibungen fällt es uns schwer, diese in eine positive Richtung zu verändern.
Ein Beispiel: Ein Mitarbeiter wird in eine andere Abteilung versetzt mit der Information „der ist unfähig“. Die Erwartungen an den neuen Mitarbeiter werden gering sein, er wird wahrscheinlich für wenig anspruchsvolle Arbeiten eingesetzt und hat so gar nicht die Möglichkeit, sich zu beweisen. Würde der Transfer des Mitarbeiters mit den Worten „der hat sich in letzter Zeit unfähig verhalten“ begleitet, bewegt sich der Mitarbeiter in einem Raum, in dem Veränderung möglich ist und der neue Chef gibt ihm mit größerer Wahrscheinlichkeit eine Chance … oder entwickelt vielleicht sogar einen Ehrgeiz, den neuen Kollegen zu fördern/motivieren, damit er sich beruflich entwickeln kann.
Sowohl, wenn es um Menschen unseres Umfeld geht, als auch um uns selbst, zahlt es sich aus, sein-Überzeugungen zu hinterfragen. Denn: hängen wir der Überzeugung an, dass Menschen sich verhalten, glauben wir auch an die Möglichkeit, dass sich eben jenes Verhalten verändern kann.
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