Retromanie, Nostalgie, Gegenwartsflucht – sie alle beschreiben die Idee, dass früher alles besser war. Doch ist das richtig?

Kurzum: Nein! Früher war nicht alles besser. Früher war aber manches anders. Dass wir dennoch den Eindruck haben, früher wäre alles besser gewesen, ist durchaus nachvollziehbar und auch verständlich bis sinnvoll.
Psychologen und Kulturwissenschaftler erklären, dass ein nostalgisches Zurückblicken auf frühere Zeiten eine Art „psychologische Rückversicherung“ bietet. In einer Welt, die von ständiger Veränderung und Unsicherheit geprägt ist, kann die Vergangenheit einen Ort der Stabilität und Geborgenheit bieten. Dinge, die wir aus unserer Kindheit oder Jugend – jene Jahre, die im Leben eines Menschen besonders prägend sind und daher sehr intensiv erinnert werden – kennen, sind in unserer Erinnerung oft positiv besetzt. Ein bestätigender Rückgriff auf die Vergangenheit kann daher Trost spenden und ein Gefühl von Heimat vermitteln. Das ist auch der Grund, warum nostalgische Momente verstärkt in Zeiten des Umbruchs auftreten können.
Dass dennoch früher nicht alles besser war, selbst wenn unsere Erinnerung uns das glauben lassen mag, ist einfach zu erklären:
Jedes Mal, wenn wir eine Erinnerung gedanklich aufleben lassen oder von ihr erzählen, verändern wir sie ein klein wenig.
Wie? Durch die Bedeutung, die wir der erinnerten Situation geben und die dadurch entstehenden Gefühle. Empfinden wir bei der Erinnerung an ein Ereignis Wut, werden wir das Ereignis als negativer abspeichern, als wir es im Moment des eigentlichen Erlebens empfunden haben. Und im Fall nostalgischer Momente verhält es sich eben genau umgekehrt. Da wird der Schwimmbadbesuch mit Freund:innen in unserer Jugend romantisiert, die Hänseleien anderer Kinder beim selben Schwimmbadbesuch werden ausgeblendet.
Wer sich nun öfter damit konfrontiert sieht, sehnsüchtig an vergangene Tage zurückzudenken, kann versuchen, die positiven Erinnerungen an damals ins heute zu transferieren und daraus in Zukunft etwas Neues entstehen zu lassen. Zudem können wir den Blick in die Vergangenheit nutzen, um mit unseren Werten in Berührung zu kommen. Was wir als erstrebenswerten Aspekt einer früheren Zeit betrachten, führt uns vor Augen, welche Werte uns im Leben wichtig sind – im Fall des Schwimmbadbesuchs vielleicht Freiheit, Unbeschwertheit, o.ä. Wissen wir darüber Bescheid, können wir nach Wegen suchen, diese Werte auch in der Gegenwart und Zukunft stärker zu leben, sodass wir uns dafür nicht mehr in die Vergangenheit „flüchten“ müssen.
Commentaires